Bewegungsdisziplin auf dem Pferd

Immer öfter passiert es mir, dass Zuschauer es positiv wahr nehmen, wenn ich vor dem Reiten Übungen aus dem Tai chi und Qigong absolviere. Ich denke, es liegt an einer deutlich sichtbaren Verbesserung meiner Bewegungsdisziplin - ich bewege mich deutlich weniger.


Pferde sind Meister der Wahrnehmung. Sie spüren eine Fliege auf der Haut ebenso wie sie ein Ohr-Zucken des Weidekumpels sehen und als Mitteilung verstehen.
Sie sehen und sie fühlen winzigste Bewegungen und trotzdem müssen die meisten Reiter arbeiten und kämpfen um mit ihren Pferden zu kommunizieren. Warum?

Schau auf diese Bilder:



Stell dir vor, du siehst den einzelnen Zweig rechts an und beobachtest wie ein einzelnes Blatt im Wind bewegt wird. - Kein Problem, oder?
Nun stell dir vor, du siehst auf den Wald links und willst beobachten wie ein einzelnes Blatt im Wind bewegt wird. Unmöglich, oder?
Wir Menschen auf dem Pferd sind für das Pferd vergleichbar mit dem Wald. Die Wahrnehmung einzelner kleinster Bewegungen ist nicht möglich, weil alles ständig in Bewegung ist.

Wer mit seinem Pferd mittels kleinster Signale und feinster Bewegungen kommunizieren will, muss zwei Faktoren beachten:
--> Das Pferd muss ein Interesse daran haben, mit dem Reiter zu kommunizieren. Die Ausbildung des Pferdes muss auf Grundlage der „positiven Verstärkung“ passieren. Nur wenn das Pferd gerne und in Erwartung eines schönen „Erfolges“ agiert, wird es die Bewegungen und Signale des Reiters wahr nehmen wollen.
--> Der Reiter muss über ein Höchstmaß an Bewegungsdisziplin verfügen, damit das Pferd nicht durch einen "bewegten Wald" überfordert wird sondern einzelne Bewegungen wahrnehmen kann.

Bewegungsdisziplin bedeutet: Jede noch so kleine Regung meines Körpers auf dem Pferd soll sinnvoll gesteuert sein.

Häufige Gründe für fehlende Bewegungsdisziplin sind:
1.
Der Reiter fühlt seinen eigenen Körper nicht genügend und bewegt sich ständig ohne es selber wahr zu nehmen.
2.
Der Reiter denkt falsch. Er denkt beispielsweise „nicht so schnell“ - das Wort „nicht“ ist abstrakt und kann weder als Bild noch als Bewegung dargestellt werden. Als Bild sieht der Reiter vor seinem inneren Auge nur das „zu schnell“ was seinen Instinkten sagt „Achtung, Gefahr!“ und ihn dazu verleitet, Muskeln reflexartig anzuspannen und sich mit den Händen festzuhalten, also am Zügel zu ziehen.
Würde der Reiter denken „Langsamer“ würde er mit seinem inneren Auge die langsame Bewegung von sich und seinem Pferd sehen und dadurch automatisch seine Beckenbewegungen verlangsamen, was das Pferd als Signal wahrnimmt und langsamer wird.
3.
Der Reiter hat eine falsche Wahrnehmung seiner Körperaktionen. Er glaubt z.B. mit ruhigen Beinen zu reiten, dabei treibt er ständig unbewusst oder er glaubt, die Hände ruhig zu halten, dabei bewegen die sich automatisch mit dem Becken mit.
4.
Der Reiter kann nicht klar denken, weil Gefühle seine Gedanken zu sehr beeinflussen.
„Ich habe Angst“ oder „Was denken bloß die anderen“ oder „Warum macht das Pferd jetzt nicht einfach mal was ich will“ sind beispielsweise „Gefühlsgedanken“, die auf dem Pferd völlig wertlos sind.
5.
Der Reiter kann auf dem Pferd nicht exakt agieren, weil die Muskeln die dafür kontrolliert anspannen und entspannen müssten nicht kräftig genug sind. Der Körper des Reiters wird von den Bewegungen des Pferdes zu sehr beeinflusst, der Reiter verliert sein eigenes Körpergleichgewicht, die unabhängige Bewegung einzelner Gelenke ist nicht mehr möglich.

Die Übungen des Tai chi und Qigong verhelfen dem Menschen dazu, seinen Körper besser wahr zu nehmen.
Der Reiter kann sich durch veränderte Bewegungsmuster besser auf einzelne Bewegungen konzentrieren. Das Denken verändert sich. Die Haltemuskeln des Körpers werden immer kräftiger, so dass der Reiter viel angenehmer die Energie des Pferdes weich auffangen und für sich selber nutzen kann.

Meine Erfahrung:
Wenn ich direkt vor dem Reiten nur 15 Minuten Zeit investiere um einige ausgesuchte Übungen zu machen, kann ich auf dem Pferd bewusster und müheloser agieren.
Reiten wird zu einem reinen Genuss für Mensch und Pferd.

  

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